Ukraine im Hinterkopf, NRW im Blick

Mit dem 24.02. ist eine neue Zeit angebrochen. Der grausame Angriffskrieg des russischen Präsidenten Vladimir Putin gegen die Ukraine und ihre Bevölkerung ist ein schauderhaftes menschen- und völkerrechtswidriges Verbrechen. Angriffskrieg auf europäischem Boden – etwas, das meiner Generation über Jahrzehnte als grausame Vergangenheit ohne Rückfahrschein erschien und für mich wie für viele andere bis zuletzt kaum vorstellbar war.

Das lag sicher auch daran, dass wir in Deutschland in den vergangenen Jahren die Anzeichen für Putins zunehmende ideologische Radikalisierung nicht sehen und die Warnungen vieler Expert*innen aus Osteuropa nicht hören wollten. Die deutsche Strategie im Umgang mit Putin ist trotz guter Absichten krachend gescheitert. Umso bemerkenswerter finde ich es, dass es der Bundesregierung nun in Rekordzeit gelungen ist, sich politisch in dieser neuen Realität einzufinden. Dazu mussten und müssen sich lang gereifte Positionen in Frage gestellt und neu überdacht werden. Es war und ist nötig, unter enormem Druck, voller Empathie und dennoch mit kühlem Kopf Entscheidungen zu fällen. Ich bin dankbar dafür, dass Annalena Baerbock als Außenministerin genau das tut und klare Worte für das Handeln Putins und unsere humanitäre Verantwortung den Ukrainer*innen gegenüber findet. Sie repräsentiert Deutschland in den internationalen Gremien auf hervorragende Art und Weise.

Vom ersten Tag seiner Amtszeit an hat Robert Habeck sich als Wirtschaftsminister der Beschleunigung der Energiewende aus klima-, sozial- und sicherheitspolitischen Gründen gewidmet. Für die Betonung dieses dritten Aspekts sind wir GRÜNE lange Jahre lang belächelt worden. Als Annalena noch im Sommer in den Fernsehduellen die geopolitische Bedeutung und die daraus folgende Problematik von Nordstream II dargelegt hat, ist ihr von allen Seiten widersprochen worden. Dass wir nun auf dramatischste Art und Weise darin bestätigt worden sind, ist zutiefst bestürzend und hat Robert vor die Mammutaufgabe gestellt, von heute auf morgen die energetische Unabhängigkeit von Russland herzustellen. Dass es aktuell so scheint, als könnte schon der kommenden Winter ohne den Bezug von russischer Kohle, russischem Öl und vielleicht auch Gas durchgestanden werden, ist das Ergebnis der intensiven Arbeit in den letzten Wochen und kann nicht hoch genug bewertet werden.

Neben den bundespolitischen Aufgaben sind wir auch im Land verpflichtet, unseren Beitrag im Umgang mit dieser Krise zu leisten. Das bedeutet in erster Linie, dass wir den Menschen, die vor Krieg und Vertreibung zu uns fliehen, die volle humanitäre Unterstützung und Wärme gewähren. Dass diese Unterstützung insbesondere an der polnischen und ungarischen Grenze von der Hautfarbe der oder des Flüchtenden abhängt, ist beschämend und darf sich bei uns nicht fortführen.

Die bisherige Hilfsbereitschaft der vielen ehrenamtlichen Menschen in NRW, die Geflüchteten bei der Ankunft und Unterbringung unterstützen oder Transporter voller Sachspenden an die ukrainische Grenze bringen, macht mich unglaublich stolz und zeigt, was wir in NRW alles schaffen können. Auch im GRÜNEN Kreisverband in Herne haben wir mehrere große Sammelaktionen durchgeführt, die in Kooperation mit den Bochumer GRÜNEN ihr Ziel gefunden haben. Ich bin zudem sehr glücklich, dass Herne vergangenes Jahr auf unsere Initiative hin „sicherer Hafen“ geworden ist. Um all diesen Menschen, die schon angekommen sind, sich aktuell auf der Flucht befinden oder diesen Weg noch vor sich haben, Schutz und Zuflucht zu bieten, braucht es große Bereitschaft auf Ebene der einzelnen Bundesländer und Kommunen. Dass die vielen „sicheren Häfen“ NRW’s genau das verkörpern, stimmt mich sehr optimistisch.

Großen Nachholbedarf haben wir hingegen hinsichtlich der Energieautonomie unseres Bundeslandes. Dass wir noch immer krass von den fossilen Energieformen und somit auch von Russlands Exportgütern abhängig sind, liegt auch an der Verhinderungspolitik der schwarzgelben Landesregierung. Ein vollständiger Verzicht auf russisches Gas ist auf Landesebene zwar eine gigantische Herausforderung und ohne massive Unterstützung seitens des Bundes kaum möglich, doch gerade Kohle und Öl hätten durch den Ausbau der erneuerbaren Energien und eine echte Verkehrswende an Bedeutung verlieren müssen. Stattdessen wurde der Solarausbau eingebremst, Windkraft durch neue Abstandsgebote erschwert. Der ÖPNV sowie der Fahrradverkehr wurden weiterhin hintenangestellt, um gleichzeitig mit dem Versprechen, die Autobahnen in NRW staufrei zu machen, krachend zu scheitern.

An all diesen Stellschrauben muss eigentlich seit vorvorgestern, spätestens aber ab dem 15.05 intensiv gearbeitet werden. Dafür werde ich mich in den kommenden Monaten weiter stark machen, ohne dabei die Gedanken an die Menschen in der Ukraine und die Hoffnung auf Frieden zu vergessen.


Die Ukraine im Hinterkopf, Nordrhein-Westfalen im Blick!